Wenn Lili Marleen in den Dünen erklingt

Herbert Burmester und sein Akkordeon sind zurück unter dem Langeooger Wasserturm.

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enn Herbert Burmester in die Tasten greift, dann liegt Musik in der Luft. Mit seinem Akkordeon erzählt er beim Dünensingen Geschichten von Wind, Wellen oder der berühmten „Lili Marleen“. Die Dünen unterhalb des Wasserturms von Langeoog sind dann erfüllt von traditionell ostfriesischen Klängen wie die von Shantys oder Schlager, Volks- und Kinderlieder – und viele Kehlen singen dazu.

„Musikalisch ist da eigentlich für jeden etwas dabei.“ Das Langeooger Liederbuch in der Hand, legen die Gäste los. Sie erheben ihre Stimmen in Harmonie. Je nach Saison sind es zwischen 200 und 600, mindestens.Beim Dünensingen unter dem alles überragenden Wahrzeichen der Insel sorgt der Zweiklang aus Turm und Mensch, im Einklang miteinander, für ein ganz besonderes Bild. „Das ist ein toller Anblick“, schwärmt Burmester. Der 82-Jährige selbst komplettiert den Gesamteindruck mit seinem Fischerhemd und Vollbart. „Wir stehen unten im Dünental – und der Wasserturm direkt dahinter.“ Das Bauwerk reckt sich hinter dem Musiker und seinen Zuhörern imposant in den Himmel. Bis 33 Meter über dem Meeresspiegel. Stolze 15 Meter Wasserturm thronen auf 18 Metern Düne.

Der Wasserturm ist das Wahrzeichen der Insel. Oft wird er für einen Leuchtturm gehalten, nicht zuletzt wegen seiner Lage am Meer. 1909 wurde er erbaut. Früher wurden in seinem Inneren 100.000 Liter Wasser gespeichert. Bis Ende der 1980er Jahre wurden die Langeooger und ihre Urlaubsgäste von dort aus mit Trinkwasser versorgt. In 150 Metern Entfernung lag das alte Wasserwerk, von wo aus das Wasser in den Turm gepumpt wurde. Die Rohre im Inneren des Turmes – Steigrohr, Fallrohr und Überlaufrohr – sind noch heute sichtbare Relikte aus dieser Zeit. Die Höhe des Turmes sorgte für den Druck, mit dem das Wasser in die Haushalte kam. Heute hat der Turm ausgedient: Das neue Wasserwerk arbeitet mit Hochdruckpumpen, einen Turm braucht es in der modernen Wasserversorgung der Haushalte nicht mehr.
Dafür kann man aus seinem Inneren heute über die Insel, übers Meer und bei passender Witterung bis aufs Festland schauen. Wochentags in der Zeit von 10 bis 12 Uhr.

Der Aufstieg ist nicht ganz einfach, die Treppen sind eng. Doch die Mühen werden mit dem Blick auf wunderbare Weite belohnt. Die Dünensänger erblickt man dann jedoch nicht. Die nämlich ölen ihre Stimmen immer dienstags ab 20 Uhr. Vormittags hüllen sich die Dünen in Stille. Nur der Wind pfeift hier zuweilen ein Lied. So war es in den vergangenen zwei Jahren immer. Die Pandemie hat dem Dünensingen 2020 und 2021 eine Zwangspause beschert. Seit diesem Mai aber sind Herbert Burmester und seine Mitstreiter zurück. Und voller Tatendrang. „Ich hab`s ja nicht verlernt“, sagt der bärtige Vollblutmusiker mit einem Augenzwinkern. Bis Mitte Oktober wird er wieder in die Tasten greifen. Dann, im November, geht es für ihn zurück ans Festland. Er ist ein Küstenkind. Mittlerweile lebt der 82 Jahre alte Burmester zusammen mit seiner Lebensgefährtin in Pilsum.

Das Dorf in der Krummhörn ist für seinen Leuchtturm bekannt, der berühmt wurde durch Filme des Emder Komikers Otto Waalkes.
Burmesters Begeisterung fürs Dünensingen ist ansteckend. Woche für Woche lockt das Dünensingen Leute an. Es ist für viele Gäste ein fester Termin im Veranstaltungskalender. An guten Tagen singen durchschnittlich 600 Menschen aus voller Kehle in den Dünen unterhalb des Wasserturms mit, schätzt Burmester. Bei Sommerwetter in der Hauptsaison kommen die leicht zusammen. Auch mehr. „Da gibt es Gäste, die sagen, sie kämen nur fürs Dünensingen“, berichtet Burmester. Ob er das glaubt, weiß er selbst nicht genau. Sicher weiß er aber, dass Musik verbindet. Er bekomme regelmäßig Unterstützung, teilweise von anderen Musikern, die ihm zur Seite stehen. Zum Beispiel an der Gitarre. Immer wieder tauchten beim Dünensingen auch Gäste mit Instrumenten auf, berichtet er. Beispielsweise mit der Geige. Die gesellten sich dann zu ihm und spielten mit. Viele Gäste sind Stammgäste und wissen genau, was so ein Abend in den Dünen braucht: Kissen und Wolldecken beispielsweise. „Das bringen die Leute alles mit.“

Was an so einem Abend aber definitiv nie fehlen darf, weiß Herbert Burmester auch: „Lale Andersen.“ Sie und ihre Lieder sind ähnlich wie Dünensingen und Wasserturm untrennbar mit der Insel verbunden. Nicht umsonst erinnert an prominenter Stelle im Dorf ein Denkmal an die Sängerin und Schauspielerin. Die verbrachte von 1945 bis zu ihrem Tod 1972 viel Zeit auf Langeoog und fand ihre letzte Ruhestätte auf dem Inselfriedhof. Und an Lale Andersen an ihrer Laterne muss jeder, der vom Dorf zum Wasserturm oder Dünensingen gelangen will, erst einmal vorbei. Musikalisch aber kommt an ihr auf der Insel wohl niemand vorbei.

Bild: Susanne Ullrich

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